Futterneid und Tafelsilber isst im Restaurant Berta Assaf Granits Ode an seine Großmutter

Das Berta ist Assaf Granits Großmutter gewidmet, die in Berlin aufwuchs und mit ihrer Familie nach Israel immigrierte. Genau wie bei ihr die deutsch-jüdischen Wurzeln mit der kulturell vielfältigen, fremden neuen Heimat zusammentrafen, schlägt die Küche im Berta eine Brücke zwischen Berlin und Jerusalem. „Wohin ich auch gehe, ich versuche, Jerusalem mitzunehmen. Das ist der Kern meiner Küche. Ich versuche, lokale Zutaten mit alten Techniken zu kombinieren. Ich kombiniere Gewürze aus der Altstadt von Jerusalem, lasse mich von den Straßen, den Märkten, den Menschen, der Landschaft und natürlich der Geschichte inspirieren“ sagt Assaf Granit. Und von Großmutter Berta. Nicht, dass sie eine besonders gute Köchin gewesen sei, verrät er uns - vielmehr warmherzig, gastfreundlich und ihre Küche Mittelpunkt des Viertels.

Lebhaftes Sprachengewirr

Als wir das Berta an einem Donnerstag Abend besuchen, ist es bereits rappelvoll und von einem lebhaften Gewirr unterschiedlichster Sprachen erfüllt. Schön anzusehende Menschen wuseln durch den Raum und kümmern sich überaus kommunikativ um das Wohl der Gäste. So muss es sich im Jerusalem der Kindheit von Assaf Granit angefühlt haben: Offen, herzlich und jeden mit offenen Armen empfangend. An den Wänden hängen Bilder beider Großmütter, das Geschirr wirkt so, als stamme es direkt aus Bertas Anrichte. Die Originale wurden allerdings bereits in seinem ersten Restaurant in Israel verschlissen, für Berlin musste er neue Teller anschaffen.

Kugel, Kreplach und Hähnchenleber

Die Karte liest sich wie eine Reminiszenz an die jiddischen Gerichte seiner mitteleuropäischen Vorfahren. Der „Kugel“ (wegen der ursprünglich runden Auflaufformen) spielt auf das traditionelle Rezept der jüdisch-aschkenasischen Küche an, wobei hier nicht Nudeln die Hauptzutat stellen, sondern ein spannend mit Cashews und Eiscreme kombinierter Wirsing. Kreplach, die jüdische Variante der Ravioli, serviert er mit Parmesan, Speck, karamellisierten Zwiebeln und Miesmuscheln, wobei letztere ein Fremdkörper in der Gesamtkomposition bleiben. Die Hähnchenleber Ashkenazi greift nicht nur mit dem Namen, sondern auch mit Senf und Ei die konservativere, osteuropäische Linie der Jerusalemer Küche auf, während Starkoch-Kollege Adoni sich mehr von den orientalischen und moderneren Einflüssen Tel Avivs inspirieren lässt - die Namen der Restaurants sprechen für sich.

Mahane Yehuda Markt auf Brandenburgisch

Die köstliche Signature-Polenta mit schwarzem Trüffel hat Assaf Granit aus seinem ersten Restaurant mitgebracht: Das Machneyuda in Jerusalem bringt Gerichte aus dem Mittelmeerraum mit Zutaten vom nahen Mahane Yehuda Markt auf den Tisch. In Berlin greift das Berta auf die hiesigen Märkte zurück: Der Ja’ala Mix - laut dem entzückenden Wesen, das ihn uns serviert, „the most delicious salad ever“ - bedient sich eines Brandenburger Mix aus Salat und Kräutern, bei dem ein Tick zu viel an Tahini-Sauce den osmotischen Prozess leider beschleunigt - sein Aroma ist nichtdestotrotz umwerfend.

Innovative Aubergine

Einen Michelin-Stern wie im Pariser Restaurant Shabour strebt Granit im Berta nicht an - dafür sprechen auch die fair kalkulierten Preise (Hauptspeisen 23 und 29 Euro). Bei manchen Gerichten ahnt man dennoch, zu welchen Höhenflügen der Autodidakt fähig ist. Die aus der israelischen Küche kaum wegzudenkende Aubergine etwa überrascht als Crème Brûlée mit einer ordentlichen Prise Chili und karamellisiertem Zucker - eine ungewöhnliche Geschmackswendung jenseits der bekannten Zubereitungen und für mich eines der Highlights des Abends. Tatsächlich plant die JLM Group, zu deren Eigentümern neben Assaf Granit die beiden Köche Dan Yosha und Uri Navon sowie Tomer Lanzmann gehören, in Berlin ein kleines Gourmetrestaurant im Stil des Shabour - nur die passenden Räume hat sie noch nicht gefunden.

We are family

Für das Berliner Eröffnungsteam wurde das halbe Management der JLM Group aus Paris eingeflogen. Unermüdlich erklärt es die Philosophie des Restaurants, die Traditionen im Stetl und die Ideen hinter der Komposition der Gerichte. Es fühlt sich an, als ob das hier eine große, von der gemeinsamen Mission erfüllte Familie ist. Wir lassen uns mitreißen und genießen das leichtfüßige Zusammenspiel im Team. Dem tun auch die „Yes chef“- Schlachtrufe, die wir ab und zu aus der offenen Küche hören, keinen Abbruch, scheinen sie doch zur reibungslosen Effizienz beizutragen.

Großes Schokoladenfinale

Nur unsere Mägen kommen langsam an ihre Grenzen: wir bitten um eine kurze Pause vor der „Pause“, einer wahrhaft göttlichen Schokoladenmousse mit Kardamom-Kaffee-Streuseln Olivenöl und Salz - und das sagt eine Dessert-Fetischistin ohne Hang zur Schokolade. Noch einen letzten Schluck vom Cocktail mit Sternanis, Zimt und alkoholfreiem Vermouth - Drinks kann das Berta auch -, ein Küsschen und die Versicherung, dass wir bald wiederkommen - schließlich gehören auch wir jetzt quasi zur Familie.

Restaurant BERTA, Stresemannstraße 99, 10963 Berlin, tel +49 162 8861827 

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Foto: Niko Rechenberg