Restaurant the Cord Berlin Zeitgemäße Raffinesse

Kaum war das aufwändig im Art Deco-Stil, sieben Meter hohen Decken und dem namensgebenden amerikanischen Oldtimer gestaltete Restaurant im Frühling 2020 fertig gestellt, kam die Pandemie dazwischen. Mit Take-away-Menüs und Sommer-Events rettete sich the Cord von einem Lockdown zum nächsten, so richtig rund und zeitgemäß schien das Konzept des Edel-Grills aber nicht. Und das, obwohl mit Ex-Sternekoch Thomas Kammeier ein vielversprechender kulinarischer Direktor in den EUREF-Campus eingezogen war. Neben sechs Tagesrestaurants bildet the Cord die kulinarische Spitze des EUREF-Campus und ist ausschließlich abends geöffnet. Das zukunftsorientierte Quartier um den Schöneberger Gasometer versteht sich als Modell für die klimaneutrale, intelligente Stadt der Zukunft. 5.000 Beschäftigte forschen und arbeiten hier, und bereits seit 2014 erfüllt EUREF die CO2-Klimaziele der Bundesregierung für das Jahr 2045.

Foto: Florian Kroll

Somit ist es umso erfreulicher, dass sich das Cord nun ernsthaft für eine nachhaltige Philosophie entschieden hat: Weg vom weitgereisten Fleisch, hin zu regionalen Produkten und mehr Gemüse. „Ich sehe Köche in der Verantwortung, viel zum Thema Umwelt beizutragen, weil sie entscheiden, was auf den Teller kommt“ betont Thomas Kammeier. Gemeinsam mit Florian Peters (vorher Vox im Hyatt) möchte er den zukunftsweisenden Küchenstil im the CORD beständig weiterentwickeln. Dem jungen Küchenchef ist die Begeisterung anzumerken, wenn er von den glücklichen Rehen erzählt, die er von Richards Wild in Fürstenberg bezieht. Oder dass seine hausgemachten Erbsentortelloni mit Sellerie-Pilz-Essenz als Signature-Dish nun permanent auf der Karte stehen. Es macht Spaß zu sehen, wie Peters zu einem eigenen, erwachsenen Stil gefunden hat und mit Raffinesse und Originalität beeindruckt - im Vergleich zu seinen Anfängen im the Cord ein wahrer Quantensprung.

Angesichts des schönen Wetters starten wir auf der überdachten Terrasse mit Brot, das selbstredend aus regionalen Bäckereien stammt: Keit aus Schöneberg und weniger bekanntes Paneamore aus Ahrensfelde. Einfach wie wunderbar dazu ein köstlich zitronig-frischer Kräuterquark. Restaurantleiter Olaf Rode begrüßt uns mit einem bemerkenswerten Extra Brut Champagner von Louis de Sacy, der aus einer kleinen Grand Cru-Lage an der Montagne de Reims stammt. Der ehemalige Kollege von Thomas Kammeier im Hugos gehört wie Florian Peters von Anfang an zum Team und passt als weltläufiger Gastgeber perfekt zum nobel-lässigen Interieur.

Fotos: Gesa Noormann

Bei den Vorspeisen gelingen Florian Peters gleich zwei Überraschungseffekte: Seine Büffelmilch-Burrata von Paolella aus Kremmen sorgt mit Paprika-Gazpacho, roh marinierten Tomaten und gerösteter Oliven-Ciabatta für ein feines und gleichzeitig explosives Geschmackserlebnis, das jenseits langweiliger Tomate-Mozzarella-Salate die konzentrierte Aromatik des Sommers auf den Gaumen katapultiert. „Der Wow-Effekt ist viel größer, wenn der Gast etwas Bekanntes auf den Teller bekommt und dann überrascht wird“ sagt Florian Peters. Dazu reicht Olaf Rode nicht etwa mediterranen Mainstream, sondern einen charaktervollen Riesling von Louis Guntrum. Auch der Tatar vom schottischen Loch Duart Lachs in der Imperial Kaviar-Dose (der ursprüngliche Inhalt kann optional dazu bestellt werden) beweist, dass der Allerweltsfisch in einer Buttermilch-Dill-Emulsion, lange eingekochten Ponzu-Zwiebeln und Sauerrahm zu einem vor frischen nordischen Aromen nur so strotzenden Wow-Gericht werden kann.

Soweit sind die Ingredentien bekannt, aber was bitte ist Schwarzwald-Miso? Die ausnahmsweise in Deutschland hergestellte und viel süßer als in Japan schmeckende fermentierte Sojapaste kommt hier als Lack für eine geröstete Aubergine zum Einsatz. Mit gebratenen Pfifferlingen, mariniertem Kopfsalat und Auberginen-Essig-Püree zaubert Florian Peters daraus einen Teller, der an eine bunte Waldwiese erinnert und eine schöne Balance aus Süße und Säure, Cremigkeit und Crispyness mitbringt. Noch bunter präsentiert sich das glückliche Reh aus Brandenburg, das perfekt gegart und voll im Aroma kein besseres Wilderlebnis bescheren könnte. Dazu gibt es vorbildlich aus Brotkrümel-Resten hergestellte Butterbrösel, Madeira-Rahm und Pfifferlinge.

Dass die alte Karte nicht ganz verschwunden ist, könnte als halbherzig ausgelegt werden: Unter den Hauptgerichten finden sich nach wie vor Tatar mit Trüffelfritten, Caesar Salat oder Filet vom Irischen Weiderind. Ich kann damit leben, geht man doch auch mal mit esstechnisch unterschiedlich gepolten Freund:innen oder der Großfamilie essen. Ein Restaurant, in dem jeder etwas findet, kommt da gerade recht. Vor allem wenn die Qualität kontinuierlich top ist. Meine kulinarisch versierte Begleitung aus Paris jedenfalls bemerkt, in Berlin schon lange nicht mehr so gut gegessen zu haben.

Bevor wir zum Abschluss das ikonische „The Cord 1937“ aus Valrhona Manjarr-Schokolade  & Nougat Knusper in der sommerlichen Variante mit Himbeer-Sorbet, mit Lemongras und Ingwer gepickelter Wassermelone genießen, schauen wir uns den schwarzglänzenden Oldtimer noch einmal aus der Nähe an. Wir schlendern durch das Restaurant, das ganz in schwarz, mit riesigen Bauskizzen von 1937 und zeitgenössischen, von EUREF-Vorstand Reinhard Müller ausgesuchten Kunstwerken problemlos in London oder New York zu verorten wäre. Nicht zu vergessen die herrlich opulenten Toiletten im ersten Stock und der Pool, der - noch eine Überraschung - ganz unvermittelt zwischen den Gebäuden versteckt liegt und die perfekte St-Tropez-Kulisse für die sommerlichen Sunday Specials liefert. Ein erstaunlicher Ort, dieses the Cord - der Weg auf den EUREF-Campus lohnt.

The Cord, EUREF-Campus 23-24, 10829 Berlin | Mo-Fr von 17:30 – 23:00 Uhr

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